Territorien, 2004–2005

Inspiriert von der direkten, dokumentarischen Fotografie entwickelte Georg Aerni seinen präzisen, kontrollierten Blick für räumliche Strukturen. Raumsituationen interessieren den Fotografen mit architektonischer Grundausbildung indes nicht allein als visuell erfahrbare Phänomene. Der Blick des Architekten ist auch unverkennbar im Werkzyklus Territorien, in dem Aerni die Schaugebilde von Zoologischen Gärten untersucht und deren ästhetische wie auch architektonischen Grundlagen ermittelt. Es ist eine pittoreske und zugleich analytische Sicht auf elf europäische Tiergärten.


Georg Aerni wendet sich in der Serie Territorien erneut dem schlichten, unprätentiösen Bauen zu, dem die Etikette der Architektur als gestalterisch herausragender Baukunst meist nicht zugesprochen wird. Unter Berücksichtigung der beiden Vorgängerprojekte Slopes & Houses (Hong Kong; 2000) und Insights (Tokio; 2003), in denen der Künstler steile Hangbefestigungen beziehungsweise städtebauliche Zwischenräume aufspürte, lässt sich der Interessensschwerpunkt seiner neuen Arbeiten klar bestimmen. Aernis Fokus liegt bei funktionalistischen Bauten, die oft auf nackte Zweckhaftigkeit reduziert sind.


In der Serie Territorien spürt Aerni den Materialien und der Konstruktion von unterschiedlichen Zoogehegen nach. Am Tektonischen, Szenographischen und beim Malerischen mit seinen Konnotationen des Unregelmässigen und Rauen bleibt sein Blick haften. Ein besonderes Augenmerk gilt den künstlich nachgebildeten Felsformationen, die mit ihrer Oberflächengestaltung eine Ästhetisierung der Zooarchitektur erkennen lassen.


Der Künstler greift nicht etwa ethische Fragen nach einer artgerechten Zoohaltung von Tieren auf. Seine Fotografien von Tiergärten zeigen unterschiedliche Haltungsweisen auf, gleichsam aber kommentarlos. Aernis Aufnahmen sind alle vom Fehlen jeglicher Bewohner gekennzeichnet. Dadurch entsteht eine eigentümliche Distanz, die die Aufmerksamkeit auf die formalen Eigenschaften der dargestellten Räume lenkt. Schliesslich vermitteln Aernis Zoogehege in der Rückführung auf ihre blosse Faktizität immer auch den Effekt des Sonderbaren. Seine Bilder zeigen die Künstlichkeit von Tiergärten auf, die selbst oder gerade da zutage tritt, wo versucht wird, die Natur nachzubilden.


Ruth Littmann, Galerie Bob Gysin, 2006